Wir alle lieben viele Menschen: unserer Kinder, Eltern, Geschwister, Freunde und natürlich unsere Partner*innen. Das zeigt schon – wir sind in der Lage durchaus mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben, wenn auch nicht alle auf dieselbe Art und Weise. Und schon gar nicht würden wir in jedem Fall von Polyamorie reden. Die Frage ist, wann spricht man von Polyamorie, was genau verbirgt sich hinter dem Begriff und wie sehen polyamore Lebensformen aus? Mehr dazu erfährst Du in diesem Beitrag.
Polyamorie: Bedeutung
Das Wort Polyamorie setzt sich aus zwei Begriffen zusammen. Zum einen aus „poly“ – was als vorangestelltes Wort Element „viel“, „viele“ oder „mehrere“ bedeutet und abgeleitet ist von der griechischen Vorsilbe „polys“. Und zum anderen aus dem Begriff „amor“ – das in verschiedenen Sprache für „Liebe“ steht.
„Polyamor“ bedeutet also so viel wie „vielliebend“ und die polyamore Liebesbeziehung wird als „Polyamorie“ bezeichnet. Im angelsächsischen Raum wird der Begriff „Polyamory“ verwendet. Einfach erklärt bedeutet Polyamorie: eine Person unterhält Liebesbeziehungen zu mehreren anderen Personen. Menschen, die diesen Lebensstil pflegen, leben „polyamor“ (auch: „polyamorös“, oder „polyamourös“) und nennen sich selbst gerne „Polys“.
Nun gilt aber längst nicht jedes komplizierte Beziehungskonstrukt mit mehreren Beziehungen und Beteiligten als polyamore Lebensweise. In polyamoren Beziehungen (eigentlich handelt es sich um ein Beziehungsnetzwerk, oder ein Beziehungsgeflecht) herrscht größte Offenheit und Transparenz.
Die Beziehungen zwischen mehreren Personen sind insgesamt einvernehmlich, offen und basieren auf emotionaler Liebe und tiefem Vertrauen zueinander. In der Regel umfassen sie auch gelebte Sexualität, aber dies ist tatsächlich nicht immer der Fall.
Die Basis eines polyamoren Lebens besteht aus:
• Offenheit, Transparenz und größte Ehrlichkeit. D.h. alle Beteiligten kennen sich und wissen von allen Beziehungen ihrer jeweiligen Partner.
• Gleichberechtigung und Einverständnis. D.h. allen Beteiligten haben das gleiche Recht neue Partner zu treffen, oder ins Beziehungsnetzwerk einzubinden. Voraussetzung ist dabei immer das Einverständnis aller Beteiligten (Konsens).
• Polys streben grundsätzlich dauerhafte, langfristige Beziehungen an. Man ist nicht nur offen und ehrlich, sondern auch verbindlich miteinander und sucht so nach vertrauensvollen, tragenden Beziehungen.
Anders als in den beschriebenen polyamoren Beziehungen, sind die beteiligten Partner in polygamen und polygnen Beziehungen, normalerweise nicht gleichberechtigt und im Mittelpunkt der Beziehungen steht ein einzelner Mann, der die gelebte Beziehungsform bestimmt.
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Unterschied von Polyamorie zur Polygamie und ähnlichen Lebensformen
„Polygamie“ heißt übersetzt „Viel-Ehe“, während es sich bei „Polygnie“ um die sogenannte „Vielweiberei“ handelt: Ein Mann hat mehrere Frauen. Beides ist in den meisten Ländern der Erde – zumindest als Rechtsinstitut „Ehe“ – übrigens gesetzlich verboten.
Polyamor Liebende kämpfen seit einigen Jahrzehnten dafür, dass ihre Lebensweise in Zukunft mit einer eigenen Form der Verpartnerung gesetzlich anerkannt wird.
Eine sogenannte „offene Beziehung“ ist in den meisten Fällen nicht als polyamore Lebensweise zu sehen. Hier erlaubt sich ein Pärchen gegenseitig weitere Beziehungskontakte außerhalb der Kernbeziehung zu pflegen.
Voraussetzung dafür ist, dass die Nebenbeziehung die Kernbeziehung emotional nicht bedrohen darf. Oft verfahren die Partner dabei nach dem „don’t ask – don’t says“ Prinzip und zu einem gemeinsamen Beziehungsleben mehrerer Beteiligter, kommt es nicht.
Wie heißt es? „Das Leben ist vielfältig.“ Und Polyamorie erst recht!
Polyamouröse Beziehungen sind…vielfältig
Anna ist mit Karin verheiratet und beide leben sie mit Tanja und Susanne zusammen. Auch Tanja und Susanne sind schon seit längerem ein Paar. Sie leben alle gemeinsam in einem kleinen Häuschen am Stadtrand, teilen sich zwei gemeinsame Schlafzimmer und kümmern sich alle vier verantwortlich um Niklas und Nanja, die beiden Kinder von Karin.
Namen und Personen sind austauschbar – die Werte solcher Mehrpersonen-Beziehungen jedoch nicht.
Letztendlich gibt es wohl so viele polyamouröse Beziehungsmodelle, wie es polyamourös lebende Menschen gibt…
Polyamorie lebt von Transparenz, Kommunikation und Ehrlichkeit
Da gibt es Beziehungen, die sich hierarchisch in „Kern-“ oder „Primärbeziehungen“ und
„Nebenbeziehungen“ unterscheiden.
Und viele polyamor Liebende schließen Beziehungsverträge miteinander, in denen klar festgelegt wird, welche Regeln gelten. Das gibt allen Beteiligten Sicherheit und verbessert die Kommunikation über die eigenen Bedürfnisse und Grenzen.
Ehrliche und ausreichende Kommunikation ist ohnehin von allergrößter Wichtigkeit für das glückliche Zusammenleben in polyamorösen Beziehungen.
Es gibt Menschen, die von Anfang wahrnehmen, dass sie dauerhaft in keiner monogamen Zweierbeziehung glücklich werden können. Und es gibt Menschen, die ihre Polyamorie durch das Zusammenleben mit einem entsprechenden Partner kennengelernt und sich erst dann bewusst für diese Lebensform entschieden haben.
Polyamoröse Beziehungen können im wahrsten Sinne des Wortes ein vielfältiges Glück schenken, sind aber auch anstrengend und herausfordernd. Eifersucht spielt oft eine Rolle und die, mit einem bestimmten Partner geteilte Zeit, ist kostbar und meist viel zu wenig. Muss doch die vorhandene Zeit auf mehrere Beziehungspartner verteilt werden.
Die Anforderungen, die Partner in polyamorösen Beziehungen vor allem an sich selbst stellen, sind sehr hoch. Jeder ist für seine Gefühle verantwortlich und die Achtsamkeit, aber auch Arbeit an sich selbst, die es zu leisten gilt, ist immens.
Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 5 % der Bevölkerung polyamoren Beziehungen grundsätzlich offen gegenüber sind. Die Zahl derer, die jedoch tatsächlich in polyamoren Beziehungen lebt, dürfte hingegen bei nicht viel mehr als 10.000 Menschen in Deutschland liegen.
Polyamor zu lieben, macht viele Menschen sehr glücklich und kann vielleicht sogar Antworten auf einige drängende Probleme unserer Gesellschaft bieten.
Polyamorie zu leben, ist aber auch ein Weg mit Herausforderungen.
Polyamorie und Eifersucht – der anstrengende Weg in die Freiheit
Eifersucht ist ein Thema, dass uns in jeder Beziehung heimsuchen kann. Heute ist relativ gut erforscht, dass Eifersucht zum größten Teil sozial entsteht, d.h. durch unser gesellschaftliches Zusammenleben und die Vorstellungen und Werte mit denen wir groß werden.
Ganz sicher spielen aber auch viele Aspekte der eigenen Persönlichkeit eine große Rolle dabei, wie wir letztendlich mit der Eifersucht dann umgehen können. So ist auch Polyamorie ein weites Entwicklungsfeld für Selbsterfahrung und den Umgang mit den eigenen Gefühlen.
Polyamor zusammenzuleben bietet jedoch gute Rahmenbedingungen, die helfen durch diese Gefühle hindurch gehen zu können. Gefühle zu fühlen, aber nicht länger von ihnen „beherrscht“ zu werden, ist ein Weg in die innere Freiheit.
So berichten viele polyamor Liebende davon, dass sie zwar mit Gefühlen wie Eifersucht, oder sich zurücksetzt und ausgeschlossen fühlen, leben und in Kontakt sind. Sie fühlen sich damit aber nicht alleingelassen und können die Gefühle in einem liebevollen Umfeld offen aussprechen.
Die Wünsche und Gefühle aller Beteiligten werden gehört und es wird nach gemeinsamen Lösungen gesucht. Selbstverantwortung kann ganz schön anstrengend sein! Am Ende ist sie aber unverzichtbar für den Weg in die innere Freiheit.
Ehrlichkeit statt Treue? Grundvoraussetzungen und Werte
Oft hört man, dass Polys es halt einfach „nicht schaffen“ würden, eine monogame Zweierbeziehung zu führen. Sie würden so leben, wie sie leben, weil sie eben beziehungsunfähig seien.
Tatsache ist, dass viele in polyamoren Lebensgemeinschaften so ihre Schwierigkeiten mit den anerkannten gesellschaftlichen Rollen- und Beziehungsmodellen haben. Andererseits erfordert das glückliche Zusammenleben mit mehreren Partnern, intensive Beziehungsarbeit und hohe Kommunikationsfähigkeiten.
Nach einer Studie des Partnervermittlungsportals „ElitePartner“ aus 2020 gibt fast jede 3. Frau (31%) an, schon einmal innerhalb einer festen Beziehung fremdgegangen zu sein. Bei den Männern sind es 27%.
Im Rahmen einer polyamoren Liebesbeziehung gibt es kein „Fremdgehen“, denn Ehrlichkeit und Offenheit sind die Grundlage und Basis der Beziehung. Welchen individuellen Wert „Treue“ in einer Beziehung auch haben mag, in polyamoren Liebesbeziehungen hat sie eine andere Bedeutung.
Im Zweifel Offenheit und Ehrlichkeit statt „traditioneller Treue“? Die meisten Polys werden hier wohl zustimmen. Polys finden gleichgesinnte Partner*innen übrigens selten in der herkömmlichen Partnervermittlung.
„OkayCupid“ und „Gleichklang“ sind polyamore Dating-Portale, die auch auf die Wünsche und Bedürfnisse von Polys sehr gut eingestellt sind.
Polyamorie stellt nicht nur traditionelle Beziehungsformen und Rollenbilder auf den Prüfstand, sondern auch unser ganz persönliches Denken über Beziehungen und Liebe. Mit Sicherheit ist Polyamorie kein Beziehungsmodell für alle. Sich mit Polyamorie zu beschäftigen, lohnt jedoch.
Die eigenen Wünsche und verinnerlichten Vorstellungen immer besser kennenzulernen: Das treibt viele an. Im Angesicht der Herausforderungen, vor die unsere moderne Welt uns stellt, werden wir vielleicht auch in Zukunft noch ganz andere Formen des Zusammenlebens und des Zusammenliebens finden.
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