Ich dachte schon, du – Depression – hättest dich endlich für immer verkrümelt, so oft wie ich dich schon aus meinem Haus (Kopf) gejagt habe. Aber nein. Du hängst in den dunklen Ecken rum und versteckst dich hinter unerwarteten Aussagen oder völlig nebensächlichen Begebenheit. Dann schleichst du dich wieder ein und ich denke den ganzen Tag nur noch diesen sinnlosen Mist.
2014 hast du dich das erste mal vorgestellt – offiziell – als schwere Depression und Angststörung. Nach einem Jahr hatte ich endlich einen Platz in einer psychiatrischen Institutsambulanz gefunden. Einmal pro Woche ein Gespräch. Ich hatte einen tollen Therapeuten. 2017 konnte ich wieder arbeiten gehen – funktionieren sozusagen. Aber ich habe dich unterschätzt!
Eine Zeit lang war ich überzeugt, dass du dich tatsächlich vom Acker gemacht hast. Schön wär´s. Gerade ist es wieder so, dass du mich ziemlich runter ziehst und mir meine Tage versaust. Hatte ich lange nicht – dass nicht mal mehr Schreiben richtig geht und ich froh bin, dass ich zurzeit nicht so viel machen muss.
Einkaufen und Putzen sind schon Herausforderungen. Menschen auch – die eigentlich immer. Und momentan ist Schlafen und Aufstehen auch wieder so ein Problem.
Kenne ich ja von dir – dass du dich immer so langsam breit machst in meiner Welt. Das Herzrasen ist wieder da. Ganz ohne Grund, einfach so aus heiterem Himmel. Und die Gedanken an “einschlafen und nie mehr aufwachen müssen” kommen wieder hervor gekrochen. Ich kann mich schon seit Wochen nicht aufraffen, zu meiner Familie (Mutter und Geschwister) zu fahren. Es strengt mich schon an, darüber nachzudenken.
Im Fernsehen und in Podcasts höre ich jetzt andauernd, dass du auch eine ganze Reihe prominenter Menschen heimsuchst. Und dann raten die einem immer, sich Hilfe zu holen. Tja – dann mach mal. Meine Erfahrung zeigt: Da ist keiner, der Dir hilft. Da kannst Du lange warten!!! Manchmal ein Jahr lang. Wer da nicht noch ein wenig Reststärke in sich hat, der schafft das nicht bzw. ist schon so weit runter, dass er sich nie mehr davon erholt. Aber wen interessiert das schon?!
Bei mir hat es zwei Jahre gedauert – so lange bin ich jede Woche einmal zu Gesprächstherapie gegangen. Wie gesagt – ich hatte Glück. Der junge Mann, der mir gegenüber saß konnte eins sehr gut: Hören! Nicht zuhören – dass impliziert ja schon ein geschlossen sein – dieses “zu”. Nein, dieser Therapeut hörte mich. Und zwar wirklich – die ganzen Anteile meiner Selbst, die da so rum kreuchen und in manchen Fälle, so wie damals – geballt zum Vorschein kommen. Gemeinsam sind wir ihnen begegnet.
Es gab mal eine Situation, an die ich mich sehr genau erinnere. Da sagte ich zu meinem Therapeuten: “Ich habe ja gar kein ICH!” Damit konnte er nichts anfangen. Und so erzählte ich ihm von meiner Suche nach dem ICH im Internet, in medizinischen und wissenschaftlichen Abhandlungen und in vielen unterschiedlichen Büchern … wobei ich rausgefunden hatte, dass das ICH nur ein Konstrukt aus Gedanken ist. Das ist jetzt nicht lustig – aber für mich Gewissheit.
Er sagte mir darauf hin, dass ihm so eine Gewissheit “Angst” machen würde und er lieber dabei bliebe, ein ICH zu haben bzw. zu sein. Nun gut – für mich war das irgendwie ein lustiger Moment in einer so dunklen Zeit. Die Frage nach dem ICH haben wir dann auch erst einmal zurück gestellt, denn die kann einen schon “verrückt” machen – mehr im Sinne von “ver – rücken” – nämlich die eigene Perspektive, um dann den ach so geliebten “Halt zu verlieren”, der ebenfalls nur eingebildet – und somit eine Konstruktion aus gedachten Inhalten ist.
Ich habe jedenfalls momentan keinen Hausarzt, der mir (wer das auch immer ist) seine “Hilfe” anbieten könnte. Ich kann zur Zeit auch gar nicht zum Arzt gehen – krieg ich nicht hin. War seit 2019 nicht mehr da. Als ich das letzte Mal da war und Hilfe wollte, hatte ich anschließend ´ne gut gemeinte Überweisung in der Tasche. Damit konnte ich mir dann mein Pausenbrot einpacken. Als Otto-Normal-Verbraucher bekommst du keinen Platz – nicht in der Klinik, nicht in der Praxis – nirgends! Ich habe alles versucht. Dann habe ich es aufgegeben.
Und lieber mein Pausenbrot gegessen – dabei habe ich gar keine Pausen – zumindest nicht vor mir und diesen trüben Gedanken über die schlechte Welt und die schlechten Menschen und mich schlechtem Selbst. Pausen – was ist das? Früher gab es ja diese offiziellen Pausen. Zum Beispiel auf dem Schulhof. Da musste man dann sein Pausenbrot essen, anstatt in der Ecke zu stehen und zu rauchen oder Fußball zu spielen – das war verboten. Obwohl es viel mehr Spaß machte, als Pausenbrot essen. Aber ich schweife ab …
Meine körperlichen Schmerzen werden schlimmer, seit du wieder da bist. Ich kann mich schlecht konzentrieren – als Texterin ein super Zustand!!! Stillsitzen geht maximal eine Stunde, dann muss ich mich bewegen. Dabei möchte ich im Grunde nur im Bett liegen. Mach ich den Fernseher an zur Ablenkung, halte ich es keine 2 Minuten aus.
Dann wieder an den Rechner, ich muss doch arbeiten, Geld verdienen, um Miete und Strom zu bezahlen. Urlaub habe ich auch schon seit 2019 nicht mehr gemacht. Mag ich grad auch nicht wirklich. Mit dir ist das eh nicht schön – und kaum möglich. Ich schaff es ja nicht mal bis in die Stadt. Da war ich schon 2 Jahre nicht.
Jetzt gehe ich noch mit dem Hund Gassi und dann versuch ich mal was Spannendes auf Netflix zu finden, damit ich dich wenigstens gedanklich für 1-2 Stunden loswerden kann. Von mir aus kannst du dann auch ganz weg bleiben. Ich werde Dich nicht vermissen!