KI und die Ausbeutung der Clickworker
KI und die Ausbeutung der Clickworker

KI und die Ausbeutung der Clickworker

Was hat Künstliche Intelligenz (KI) mit Ausbeutung zu tun? Und was sind eigentlich Clickworker? Genau darüber möchten wir mit diesem Artikel aufklären.

Ausbeutung zu Gunsten der künstlichen Intelligenz

Wie wirklich autonom ist KI und wer steht hinter ihrer “Intelligenz”? Um eine KI dazu zu bringen, ein Auto zu identifizieren oder Emotionen in Gesichtern zu erkennen, bedarf es menschlicher Anleitung. Diese oft langwierige und manuelle Arbeit wird häufig an Niedriglohnländer delegiert.

Nehmen wir zum Beispiel Nairobi in Kenia: Hier sitzen Menschen in bescheidenen Räumen, ausgestattet nur mit einem einfachen Holztisch, einem Stuhl und einem veralteten Laptop, und übernehmen diese Aufgabe. Sie sind diejenigen, die die KI-Systeme trainieren. Auf ihren Bildschirmen werden Luftaufnahmen angezeigt.

Um der KI beizubringen, wie ein Dach oder ein Pool aussieht, zoomen sie heran und markieren mit der Maus die Konturen der jeweiligen Objekte. Nach der Bestätigung und Benennung des Objekts lernt die KI, wie zum Beispiel ein Auto, Dach oder Haus zu identifizieren ist.

clickworker

Das Ganze geschieht mit einer ausgewählten Software, mit der Inhalte von Bildern markiert und beschrieben (annotiert) werden. Mal handelt es sich um Drohnenaufnahmen, mal um normale Fotos. Es gibt Hunderte davon – zur Verfügung gestellt von einem Logistikunternehmen aus den USA.

Das Ganze geschieht mit einer ausgewählten Software, mit der Inhalte von Bildern markiert und beschrieben (annotiert) werden. Mal handelt es sich um Drohnenaufnahmen, mal um normale Fotos. Es gibt Hunderte davon – zur Verfügung gestellt von einem Logistikunternehmen aus den USA.

Die Firma liefert mithilfe von Drohnen Pakete aus. Im Auftrag von Walmart – einem Handelsgiganten in den USA. Damit das klappt, wird die KI gesteuerte Drohne trainiert, damit sei weiß, wo sie ein Paket ablegen darf und wo nicht – zum Beispiel nicht in einem Swimmingpool oder auf einem Baum. Dafür aber auf einer Rasenfläche.

Das heiß die KI „erkennt“ eine Rasenfläche – könnte man meinen. Aber im Grunde erkennt sie nur das Bild der Rasenfläche mit dem dazugehörigen Namen (Buchstabenmuster), das vorab der Clickworker für sie aufgearbeitet hat.

Die Clickworker bringen ihr bei: Das ist eine Rasenfläche, das ist ein Baum … Der Lohn dafür: 1,20 € pro Stunde. Gezahlt von Unternehmen, die damit Millionen oder sogar Milliarden Umsätze machen. Diese Clickworker gibt es weltweit und es werden immer mehr. Wer zu ihnen gehört und sich über die Bedingungen beschwert, bekommt Probleme. Denn in diesem Bereich wird mit Druck und Überwachung gearbeitet.

Wie lernt die KI?

KI lernt nicht wirklich. Sie speichert große Datenmengen und kann diese in einer unglaublichen Geschwindigkeit abrufen und wiedergeben. Dafür muss die KI “gefüttert” werden. Sie braucht also Daten, die von Menschen annotiert sind – ansonsten ist sie wertlos. Viele Menschen sind sich dessen nicht bewusst. Sie wissen, was eine KI ist aber sie wissen nicht, wie sie funktioniert.

Die Industrie setzt bereits seit einiger Zeit auf Künstliche Intelligenz, sei es in Robotern, die Autos montieren oder in selbstfahrenden Autos. Mittlerweile gibt es bereits KI für die Erstellung digitaler Kunst und Musik. Allerdings wird der Betrieb dieser scheinbar intelligenten Systeme durch die harte Arbeit von Menschen wie den Clickworkern aus Kenia und anderen Teilen der Welt ermöglicht. Sie bereiten Millionen von Daten vor, die der KI das nötige “Wissen” verleihen.

Trotz des allgemeinen Hypes sind KIs weniger intelligent, als man denken könnte. Was sie allerdings auszeichnet, ist ihre extreme Geschwindigkeit, die weit über die menschliche hinausgeht.

Letztlich sind sie jedoch darauf angewiesen, von Menschen mit Daten versorgt zu werden, um überhaupt funktionieren zu können. Beispielsweise muss ein Mensch ein Bild als “Maus” oder “Elefant” kennzeichnen, damit die KI es erkennen kann. Menschen können solche Zuordnungen intuitiv und schnell treffen.

Künstliche Intelligenz KI

Die KI ist auch nicht unfehlbar. Wenn sie mit falschen Daten trainiert wird, trifft sie falsche Entscheidungen oder erzeugt fehlerhafte Informationen. Das liegt nicht daran, dass sie uns täuschen möchte, sondern an den fehlerhaften Daten, mit denen sie gefüttert wurde.

Daten – das neue Öl

Daten sind in dieser Hinsicht enorm wertvoll und werden oft als das “neue Öl” bezeichnet. Sie sind der Nährboden für wirtschaftliches Wachstum und ermöglichen das Aufblühen von Unternehmen weltweit. Das gilt sowohl für Start-ups, die KI-Technologien nutzen, als auch für große Forschungseinrichtungen und Industriegiganten wie Ford, Boeing, Adobe sowie Technologieriesen wie Google und Microsoft.

Unternehmen, die ihre KI-Systeme trainieren lassen möchten, wenden sich in der Regel an spezialisierte Online-Plattformen oder Outsourcing-Firmen. Dort übernehmen Clickworker aus vornehmlich Billiglohnländern, aber auch aus Ländern wie Deutschland, die Aufgabe. Das Geschäftsmodell dieser Plattformen beruht darauf, Arbeit hauptsächlich in Regionen mit niedrigen Löhnen anzubieten und die Bezahlung dabei so gering wie möglich zu halten.

Reine Ausbeutung: Die schlechte Moral der Online-Plattformen

Einige dieser Outsourcing-Unternehmen präsentieren sich sogar als sozial engagiert, die in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit und Armut tätig werden, den Menschen Grundkenntnisse in IT vermitteln und sie dann für extrem niedrige Löhne KI-Trainingsaufgaben ausführen lassen.
Ein solches Unternehmen ist SANA in Kenia, das kürzlich durch eine Recherche des Time Magazins in die Kritik geriet.

Es soll Menschen für knapp 2 Dollar pro Stunde beschäftigen, um unerwünschte Antworten aus dem KI-Chatbot ChatGPT von OpenAI zu filtern und so die KI “schlauer” zu machen. Ihr Firmenmotto “Give work, not aid” (Gib Arbeit, keine Hilfsgelder) wirkt angesichts dieser Bezahlung besonders zynisch.

KI Clickworker Backstein Tower

Ein weiteres umstrittenes Unternehmen in dieser Branche ist Cloudfactory aus Großbritannien, das nach eigenen Angaben über 7.000 Menschen beschäftigt. Clickworker aus Kenia erhalten hier beispielsweise für ihre Arbeit an einem Drohnenprojekt nur 1,20 Euro pro Stunde.


Cloudfactory geht sogar noch einen Schritt weiter und überwacht seine Mitarbeiter digital von zu Hause aus. Dazu verwenden sie eine modifizierte Version des Google Chrome Browsers, die es ihnen ermöglicht, den Bildschirm aufzuzeichnen, Screenshots zu erstellen oder auf die Webcam zuzugreifen.

Diese Überwachungsdaten werden dann dazu verwendet, Mitarbeiter zu bestrafen, die ihre Arbeitsziele nicht erreichen. Diese Überwachungspraktiken sind, zumindest bis vor Kurzem, sogar in den Arbeitsverträgen festgehalten. Die wohlhabenden Unternehmen, für die Cloudfactory Dienstleistungen erbringt, scheinen sich wenig für die Arbeitsbedingungen der Clickworker zu interessieren.

Fakt ist, Unternehmen wie Cloudfactory und Sana nutzen die prekäre Situation vieler Menschen aus – ein Vorgehen, das in dieser Zeit als Ausbeutung betrachtet werden sollte, aber in dieser Branche offensichtlich an der Tagesordnung ist. Viele Menschen haben kaum eine Wahl, da Armut und hohe Arbeitslosigkeit sie dazu zwingen, solche schlecht bezahlten Jobs anzunehmen. Obwohl einige von ihnen gut ausgebildet sind und sogar studiert haben, finden sie aufgrund der schlechten Wirtschaftslage im Land keine adäquate Beschäftigung.

Jährlich machen in Kenia fast eine Million Menschen einen Studienabschluss, doch die Arbeitsplätze werden immer weniger. Diese Notlage wird von Unternehmen wie Cloudfactory und Sana schamlos ausgenutzt, wodurch die Menschen zu digitalen Tagelöhnern mutieren.
Das Problem ist allerdings nicht auf Kenia beschränkt; es ist längst zu einer globalen Herausforderung geworden. Auf diversen Online-Plattformen können sich Menschen aus aller Welt registrieren.

Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, betreibt beispielsweise seit 2005 die KI-Lernplattform Mechanical Turk, auf der Jobs mit einer Vergütung von nur wenigen Euros pro Stunde zu finden sind.

Crowdworking: So geht Ausbeutung im Namen der KI

Über die Jahre haben sich weitere Plattformen etabliert, die sich auf das sogenannte Crowdworking spezialisieren. Eine Studie der Universität Oxford hat ergeben, dass Clickworker im Durchschnitt nur 2,15 Dollar pro Stunde verdienen. Dazu kommen noch durchschnittlich 8 Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche für die Jobsuche, Verhandlungen mit Kunden und Qualifizierungstests.

Dieses Ungleichgewicht der Machtverhältnisse zwischen Auftraggebern und Arbeitern auf diesen Online-Plattformen ist enorm. Experten schätzen, dass weltweit bis zu 10 Millionen Menschen als Clickworker tätig sind – ein erschreckend hoher Anteil an Menschen, die ausgenutzt und schlecht bezahlt werden, während sie weiterhin von Armut bedroht sind.

Viele Menschen sehen in der Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, einen Vorteil, insbesondere wenn sie körperliche oder psychische Einschränkungen haben. Doch die Nachteile dieser Arbeitsform werden immer gravierender. Neben der Dauerüberwachung und der drastischen Unterbezahlung nimmt auch der Konkurrenzkampf unter den Clickworkern stetig zu.

Nicht alle Clickworker sehen dieselbe Anzahl an verfügbaren Aufträgen, insbesondere bei Unternehmen wie Appen, die anscheinend eine Vorauswahl treffen. Es ist jedoch unklar, nach welchen Kriterien diese Auswahl getroffen wird, und das Unternehmen bleibt dazu schweigsam.

KI Ausbeutung Gig Economy

Hinzu kommt die ständige Angst, nicht genügend Aufträge und damit Einkommen zu sichern. Alle Clickworker agieren als Selbstständige, was bedeutet, dass sie keine Verträge, keinen bezahlten Urlaub und Krankentage oder eine Sozialversicherung haben. Dieser Trend wird als Gig Economy bezeichnet und ist ein Teil des informellen Arbeitsmarktes, auf dem befristete Aufträge an Arbeitssuchende, Freelancer oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden. Wobei Letztere eher die Ausnahme bilden.

In dieser Gig Economy leben Menschen von Auftrag zu Auftrag, so wie es auch im Online Marketing und Webdesign schon lange Gang und Gebe ist, wo es aufgrund der steigenden Konkurrenz ebenfalls zum regelmäßigen Preisdumping kommt. Trotz der globalen Reichweite dieses Marktes wird ein Großteil der Arbeit in weniger wohlhabende Länder im globalen Süden ausgelagert.

Unternehmen machen dies bewusst, um von den niedrigen Kosten dieser Auftragnehmer zu profitieren. Auf Plattformen wie Fiverr beispielsweise findet man zahlreiche Dienstleistungen von Anbietern aus Ländern wie Kenia, Pakistan und Palästina, die deutlich günstigere Preise als deutsche Anbieter verlangen. Wer hier nicht mithalten kann, ist raus. Mit dem deutschen Preisgefüge hat man hier also kaum noch eine Chance, ausreichend Geld zu verdienen, um davon zu leben.

Ki Ausbeutung

Unternehmen, die KI nutzen wollen, profitieren in allen Branchen von dieser Art der Prekarisierung. Insbesondere große deutsche Unternehmen und auch viele andere Firmen aus reichen westlichen Ländern wie den USA scheinen sich nicht um die Arbeitsbedingungen der Clickworker zu kümmern, während sie selbst sehr hohe Gewinne erzielen.

Diese Unternehmen haben zum einen ein wirtschaftliches Interesse daran, die Lage der Clickworker nicht öffentlich zu machen, und zum anderen möchten sie gerne die Illusion um die “Magie der KI” aufrechterhalten. Die politische Landschaft hinkt in Sachen digitale Lieferketten, Transparenz und Kontrollen deutlich hinterher. Auch wenn Deutschland ein Lieferkettengesetz hat, das Ausbeutung verhindern soll, scheint die Umsetzung in der digitalen Welt kaum effektiv zu sein.

In dieser Hinsicht ist es nicht überraschend, dass Sam Altman, der CEO von OpenAI, im Rahmen des geplanten AI Acts durch Europa gereist ist und eindeutig gemacht hat: ´Ihr könnt uns kontrollieren, aber übertreibt es nicht.´ Offensichtlich wurde ihm zugehört, da der neue globale Standard, der AI Act, wohl erst 2026 in Kraft treten wird.

In Sachen KI könnte die Politik viel regulieren, aber solange das nicht passiert, wird sie von den Mächtigen, wie Sam Altman, bestimmt.
Das Problem der Politik und Gesetzgebung, mit der rasanten Entwicklung der Digitalisierung Schritt zu halten, ist nicht neu und wird durch den schnellen Fortschritt der KI noch verstärkt.

Doch kehren wir zu den Clickworkern zurück, die nicht in Vergessenheit geraten sollten – sowohl hinsichtlich ihrer Bezahlung als auch im Kontext, dass eine gut funktionierende KI maßgeblich von der qualitativ hochwertigen Vorarbeit dieser Clickworker abhängt.
Das heißt, trotz aller vermeintlichen Magie ist KI letztlich in gewisser Weise nur eine ‘künstlich-künstliche’ Intelligenz.

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